Gold – Goldig – Prag

SILVESTER IN DER TSCHECHISCHEN HAUPTSTADT

Hast du schon mal darüber Nachgedacht, warum man Prag „die goldene Stadt“ nennt? Vielleicht weißt du es ja schon …

Zum einen ließ Kaiser Karl IV. die Türme der Prager Burg, Kirchtürme und historischen Kuppelgebäude vergolden. Dadurch hat die Stadt bei Sonnenschein wohl wie aus Gold ausgesehen. Zum anderen unterstützte Rudolf II. mehrere Alchimisten bei der Suche nach Gold.

 

Doch nicht nur deswegen reisen rund 20 Millionen Touristen pro Jahr in die Metropole. "Die Unesco erklärte 1992 den historischen Kern Prags zum Weltkulturerbe. Der Bereich umfasst den Berg Hradschin mit der Prager Burg, den Stadtteil Kleinseite, die Altstadt einschließlich Karlsbrücke und Josefstadt sowie die Neustadt. Im Jahr 2000 war Prag Kulturhauptstadt Europas." (https://www.planet-wissen.de/kultur/mitteleuropa/prag/index.html)

2012 waren wir schon einmal in Prag und verbrachten ein Wochenende – viel zu wenig Zeit, um die ganze Schönheit dieser Stadt zu erkunden. So beschloss ich, dass es endlich wieder Zeit wird, dieser wunderbaren Stadt einen Besuch abzustatten. Was bietet sich nicht besser an als Silvester damit zu verbinden?

Natürlich sind über Silvester die Hotels teurer als üblich, aber, wenn man früh genug bucht und sucht, kann man doch noch ein paar gute preis-leistungs-günstige Hotels finden. Dieses Mal wohnten wir direkt in der Innenstadt – Praha 02 – knapp einen Kilometer vom Wenzelsplatz entfernt im Hotel Brixen/ Adresse: Sokolská 1796/44, 120 00 Nové Město.

So startete unsere Reise mit dem Auto am 28.12.2018 von Sachsen-Anhalt in die schöne, goldene Hauptstadt Tschechiens. Das Hotel lag an einer Hauptstraße und ich hatte schon bei der Buchung um ein Zimmer zum Innenhof gebeten. Die Hauptstraße besteht nämlich aus 4 stark befahrenen Spuren, aber auch zum Innenhof mussten wir leider mit Ohrschutz schlafen. Das Auto konnten wir im Innenhof abstellen.

Nachdem wir am Nachmittag unser Zimmer bezogen – typisch tschechischer Standard, aber vollkommen ausreichend - starteten wir auch gleich eine kleine Erkundungstour. Mittlerweile dämmerte es bereits, aber Städte haben in der Abenddämmerung etwas Mystisches. Unser Ziel war, bis zum Nationalmuseum zu laufen und über den Wenzelsplatz mit Weihnachtsmarkt zu schlendern sowie ein typisches tschechisches Restaurant zu finden.

 

Am schönen beleuchteten Nationalmuseum war immer noch eine lange Warteschlange – wir wussten nicht warum. Google sei Dank erfuhren wir, dass das Museum erst im Oktober, nach einer langen Renovierung, wieder geöffnet wurde - anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Gründung der Tschechoslowakischen Republik. Besucher können sich nicht nur auf wunderschön rekonstruierte Interieurs im historischen Gebäude und Führungen, sondern vornehmlich auf drei Ausstellungen freuen. Diese konnten bis 31. Dezember 2018 kostenlos besichtigt werden. Zu später Stunde kehrte wir dann, etwas abseits der Touristenpfade, in ein lokales Restaurant Demínka ein. Hier waren die Preise noch angenehm, während die Restaurants an den Hotspots richtig teuer sind und auch fast nur internationale Küche anbieten. 

Der nächste Tag, 29.12., war voll verplant. Wir haben gemeinsam die Weihnachtstage genutzt, um zu überlegen, was wir uns auf jeden Fall (noch einmal) anschauen müssen. Wie bei fast allen unseren Städtereisen, starteten wir auch in Prag mit einer Free-Walking-Tour. Bereits angemeldet über getyourguide (viele verschiedene Anbieter), trafen wir an dem Treffpunkt mit gefühlt weiteren 100 Touristen ein. Die Gruppen wurden schnell aufgeteilt und so starteten wir fast pünktlich um 10:00 Uhr mit unserer englischsprachigen Gruppe und Guide Katherina in Richtung der Prager Highlights.

Wir starteten in der Altstadt und schlängelten uns über den Weihnachtsmarkt auf dem Altstädter Ring hindurch zur Teynkirche - Erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden die zwei Türme Adam (80 Meter hoch) und Eva fertiggestellt. Wenn man genau hinsieht, gibt es feine Unterschiede zwischen den beiden Türmen. Die Konstruktion einer der Türme ist dabei robuster als der andere, angeblich um männliche Stärke zu repräsentieren. Während im Außenbereich die Gotik dominiert, findet man im Inneren einen fast schon überbordenden Barock vor. Unser Weg ging weiter zur astronomischen Uhr. Jede volle Stunde (von 9.00 bis 23.00 Uhr) versammeln sich vor dem Rathaus Hunderte Touristen um das faszinierende Schauspiel der astronomischen Uhr zu sehen. In den beiden kleinen Fenstern oberhalb der Uhr erscheinen eine nach der anderen Figuren der zwölf Apostel, zugleich erleben Figuren neben der Uhr – der Türke, der die Wollust darstellt, die Habsucht und die Eitelkeit. Der Sensenmann klingelt dann mit der Glocke im kleinem Turm. Zum Abschluss des Spektakels kräht der goldene Hahn oben und schlägt mit seinen Flügeln. Die Uhr kann aber viel mehr. Sie zeigt die Altböhmische, Mitteleuropäische, Babylonische  und die Sternzeit. Zugleich sieht man die Position der Himmelskörper einschl. Sonne und Mond im Bezug zu den Sternbildern des Tierkreiszeichens. Unter der Uhr befindet sich ein Kalendarium, das nicht nur Tage, sondern auch die Namenstage zeigt. 

Danach besuchten wir den Pulverturm sowie das angrenzende, faszinierende Gemeinde- oder Repräsentationshaus (Obecní dům).

Der spätgotische Pulverturm wurde überwiegend als Zolleinnahmestelle genutzt. Seine Errichtung begann im Jahre 1475 und erreicht eine Höhe von 42 Meter. Erst seit dem Jahre 1715 diente er als Lager für Schießpulver, daher stammt auch die Bezeichnung "Pulverturm".

 

Im Kontrast steht daneben der prachtvoll gestaltete Jugendstilbau Obecní dům - ein Veranstaltungsort, vor allem für Ausstellungen, Konzerte und Events. Nur mit einer Führung kann man diesen Bau besuchen - Der Smetana Saal ist der bekannteste Raum, er dient vor allem für Konzerte und Bälle. Das Gemeindehaus besteht aus zwei Trakten, die im spitzen Winkel zueinanderstehen. In der Mitte befinden sich das Portal und ein Balkon, auf dessen Bogen ein Zitat zum Ruhm der Stadt angebracht ist. Über dem Eingang ist ein Mosaik von Karel Špillar zu sehen.

Unser nächster Stopp erinnerte mich an einen Dementor aus Harry Potter - Dargestellt wird hier aus Sicht der Bildhauerin Anna Chromy der Commendatore aus Mozarts Don Giovanni, der im Prager Ständetheater (Prager Altstadt) 1787 Uraufführung hatte.

 

Wir besuchten noch die Staatsoper, liefen vorbei an unzähligen Brücken, waren fasziniert vom tollen Blick auf die Burg und liefen mit unserem Guide zum jüdischen Viertel. 

 

Wir starteten an der Franz Kafka Statur – ein Anfassen soll, wie bei den meisten Statuen, Glück bringen. Das jüdische Viertel darf bei einem Besuch natürlich nicht fehlen, um aber sich den Friedhof und die Synagogen anzusehen, muss man ziemlich viel Eintritt zahlen und auch sehr lange anstehen. Nichtsdestotrotz konnten wir durch unseren Guide und ihren Erzählungen erste Eindrücke erhalten. (Samstags ist wegen des Sabbat alles geschlossen)

Wegen Platzmangels und wegen des jüdischen Brauchs, alte Gräber nicht zu entfernen, wurde der Friedhof mehrmals mit Erde aufgeschüttet, um Platz für neue Gräber zu schaffen - und ein einzigartiger Genius loci – all das und noch viel mehr gibt es zu entdecken.

 

"Paradoxerweise ist es Adolf Hitler zu verdanken, dass das jüdische Prager Ghetto noch heute existiert, denn er wollte in Prag ein Museum „einer ausgestorbenen Rasse“ errichten. Heute ist die Josefstadt wieder ein lebendiger Ort mit einer großen jüdischen Gemeinde." Am Ende der luxuriösen Straße Pařížská befindet sich das beeindruckende Gebäude der Altneu-Synagoge. Hierbei handelt es sich um die älteste erhaltene Synagoge Europas. Ganz in der Nähe der Altneu-Synagoge befindet sich auch das jüdische Rathaus mit seinem malerischen Turm, dem Symbol des jüdischen Viertels.“ (https://www.czechtourism.com/de/c/prague-jewish-town-synagogues/)

Unsere Tour war nun zu Ende. Wir gingen zurück zum Altstädter Ring und gingen noch in die Kirche St. Nicholas Church, wo gerade der UNC Chapel Hill Men´s Clee Club & Alumni Choir zufällig auftrat. Anders als sonst gewohnt waren es nicht andächtige kirchliche Lieder, sondern Gesang mit viel Rhythmus und Stimmengewalt.

Nach der drei-stündigen Tour waren wir schon etwas Pflastermüde. Und so legten wir eine kleine Pause ein: Das Grand Café Orient ist immernoch ein kleiner Geheimtipp. Die meisten Touristen gehen in das untere Kaffeehaus - das Falsche - denn für das kubistische Kaffeehaus muss man einen Seiteneingang benutzen und eine Etage nach oben gehen. Diesen Tipp entnahm ich vielen Bloggern, aber auch unsere Stadtführerin wies uns daraufhin, dass das Café trinken direkt in der City nicht so teuer sein muss und das wir vor allem die traditionelle Grand Café Orient Torte essen müssen. Zwei Kaffee und ein Stück Torte später waren wir sehr glücklich – sowohl über die Atmosphäre und Live-Musik am Piano als auch über den Preis.  Anders als bei Tripadvisor in den Bewertungen nachzulesen, hatten wir sehr nette Kellner, welche sogar versuchten, mit uns deutsch zu sprechen. Sicher gibt es auch noch tolle kubistische Kaffeehäuser in weiteren Straßen, aber uns hat dieses gut gefallen.

Die Sonne verabschiedete sich langsam und es wurde etwas kühler um die Nasenspitze. Wir machten noch einen Abstecher zur Karlsbrücke und genossen den Sonnenuntergang während neben uns „Die Moldau“ musiziert wurde. Perfekt! Aber jetzt wurde es doch langsam Zeit, aus den Touristentumult zu verschwinden. 

Natürlich gehört zu einem Prager Besuch nicht nur Biertrinken, sondern auch ein Besuch in einer Absintherie – und hier kommt unser weiterer Geheimtipp: Wir haben eine tolle Absintherie (Jilská 7, 110 00 Praha 1) im Stadtzentrum gefunden, klein aber fein. Hier gibt es eine tolle Bar, nette Kellner und eine große Auswahl von Getränken. Wir nahmen ein sogenanntes Probierangebot und erhielten 4 verschiedene Absinths, Wasser und etwas zum Knabbern. Die Atmosphäre und den Kellnern beim Zubereiten der Getränke zuzusehen ist schon einen Besuch wert. 

Danach liefen wir Richtung Hotel, entlang einer Hauptstraße, wo ich niemals vermutet, gar geglaubt hätte, dass noch irgendeine Gelegenheit kommt, um Nahrung aufzunehmen. Philipp ist aber Nahrungssucher/finder- Experte und so kamen wir an einem Pub vorbei, der sich als wahrer Glücksgriff outete. Wir bekamen den letzten, freien Tisch ohne Reservierung - Phil konnte sich an den Biervariationen ausprobieren und wir konnten endlich die wohl verdiente Mahlzeit zu uns nehmen. Es war total urig und absolut lecker und empfehlenswert, weswegen wir unseren Geheimtipp für ein verdammt leckeres Essen gern teilen:  U Pravdu (Zitba 15, Nove Mesto, Praha 1) - Das Restaurant ist sehr gefragt, weswegen eine Reservierung auf jeden Fall zu empfehlen ist.

 Gestärkt schafften wir auch noch unsere letzten Kilometer, vorbei an wunderschönen angestrahlten, goldglänzenden Kirchen und geschmückten Weihnachtsbäumen – trafen im Hotel ein und schliefen. 

Für den darauffolgenden Tag, am 30.12., hatte ich mir gewünscht, dass wir an eine Burgführung auf Deutsch teilnehmen.  Die Tour startete erst 14:00 Uhr und so erkundeten wir noch einmal die Prager Altstadt, gingen noch einmal zum jüdischen Viertel, um doch vielleicht auf den Friedhof zu kommen – keine Chance, unter drei Stunden Anstehen geht gar nichts, vorbei an der Karlsbrücke und zurück Richtung Treffpunkt. Vorher stärkten wir uns noch mit Kaffee – und zwar in dem Kaffeehaus unterhalb des Grand Orient Café – fataler Fehler. Ein kleiner Kaffee – lieblos hingestellt, ohne Zucker, Wasser oder Milch für mehr als 3.00 EUR…

Pünktlich 14:00 Uhr trafen wir auch zu unserer nächsten Stadtführung ein, um nicht nur die majestätische Burg zu erkunden, sondern auch viele Informationen zu erhalten. Wir waren eine kleine Gruppe von circa 12 Leuten und fuhren zusammen mit der Straßenbahn (im Preis von 13.00 EUR inklusive) hinauf zur Prager Burg. Zuerst besuchten wir das Abgeordnetenhaus - das Parlament Tschechiens, Hörten uns ein schönes Glockenspiel an und Basilik Nanebevzetí Panny Marie Na Strahově  und dem Kloster Strahov, in der sich die wertvolle Strahov-Bibliothek mit einer Vielzahl an mittelalterlichen Handschriften, Landkarten und Globen, der barocke Theologiesaal, der klassizistische Philosophensaal geschmückt mit Fresken und die Strahov-Gemäldegalerie, eine der bedeutendsten mitteleuropäischen Sammlungen gotischer Malerei, der Rudolfinischen Kunst sowie Barock- und Rokoko-Malereien befindet. Unterhalb des Klosters hat man eine überragende Aussicht über die ganze Altstadt. Wir hatten Glück, die Sonne zeigte sich sogar und wir waren überwältigt von dem Anblick. Wladimir führte uns noch zum Schwarzenberg Palais - der Nationalgalerie Prags. Es handelt sich hierbei um ein ausdrucksvolles Gebäude der frühen Renaissance, dessen Fassade mit Hilfe von reichem Sgraffito-Dekor gelöst ist. Für Kunstliebhaber ein absolutes MUSS die (Dauer-) Ausstellungen zu besuchen.

Und dann war sie da: Seit über 1000 Jahren ist die Prager Burg auf dem Berg Hradschin das politische und kulturelle Zentrum nicht nur der Stadt, sondern auch der Nation. Es heißt, sie sei mit ihren drei Schlosshöfen das größte geschlossene Burgareal der Welt. (https://prag.sehenswuerdigkeiten-online.de/sehenswuerdigkeiten/prager_burg.html)

Zahlreiche Gebäude und Sehenswürdigkeiten gehören zum Komplex der Burg. Über den Ehrenhof (mit Sicherheitskontrolle) erlangt man den Zugang zur Anlage im Westen. Jeden Mittag und Nachmittag findet die Zeremonie der Wachablösung der Burgwache im Ehrenhof statt.

 

Unser Weg ging weiter zum Veitsdom - auch 2012 waren wir schon hier, wollten uns aber nicht anstellen, um den Dom von innen zu bewundern. Auch Wladimir ging nicht zum direkten Eingang mit uns, sondern wir mussten uns auch alle Anstellen - Ich dachte, wenn man eine Führung gebucht hat für, im Verhältnis gesehen doch so viel Geld, dass man sich nicht mehr anstellen musste. Es ging zwar recht zügig voran, aber wie sollte es anders sein? Kurz vor uns wurde der Dom geschlossen. Letzter Einlass 15:45 Uhr – das war ernüchternd. Bei extremen Wind und dadurch gefühlt noch mehr Kälte liefern wir in straffen Tempo um den Dom, vorbei am Gedenkobelisk für die Opfer des 1. Weltkriegs. Wladimir erklärte noch etwas zur Geschichte des Domes: Das gotische Gebäude wurde auf Anweisung von Karl IV. Im Jahr 1344 errichtet. Als erste Kathedrale an dieser Stelle erhob sie Prag zum Erzbistum. Sie diente fortan als Krönungskirche und Grabstätte für die böhmischen Könige. Entsprechend prunkvoll ist das Innere des Veitsdoms ausgestattet: Halbedelsteine, vergoldeter Stuck, böhmische Kronjuwelen, prachtvolle Glasfenster. Auf jeden Fall sollte man auf den 99 Meter hohen Hauptturm steigen. Daher raten wir: Erscheine pünktlich am Dom und du hast ein einmaliges Erlebnis. Geschichtlich kann man sehr viel zur Prager Burg erfahren: Prinzen Bořivoj aus dem Geschlecht der Premysliden gründete um 880 die Prager Burg. In der Mitte des 14. Jahrhunderts begann für die Prager Burg eine bedeutende Zeit. Zunächst durch einen großen Brand vielfach zerstört, wurde das Areal von Karl IV, wieder aufgebaut und umgestaltet. Als Mitte des Jahres 1419 Katholiken und Hussiten in Prag aneinander gerieten, stürmten eine Schar Hussiten das Rathaus und warfen sieben katholische Stadträte aus dem Fenster. Im 17. Jahrhundert prägte vor allem der Zweite Prager Fenstersturz die Geschichte der Prager Burg. Als zwei Staatsmänner aus dem Fenster des Ludwigsflügels geworfen wurden, sollen die Aufstände der Protestanten gegen die Katholiken begonnen haben. Dieser Fenstersturz gilt als Beginn des Dreißigjährigen Kriegs und der 400-jährigen Herrschaft der Habsburger. 

Nach einem kurzen geschichtlichen Ausflug in die Vergangenheit liefen wir um den Dom herum – es ist schon ein Meisterwerk - hin zum goldenen Gässchen.

Ich hatte viel darüber gelesen und meine Erwartung war absolut groß. Das Gässchen setzt sich aus bunten Häuschen von märchenhafter Gestalt zusammen. Hier sollen Alchimisten am Werk gewesen sein, die künstlich Gold und den Stein der Weisen hergestellt haben sollen. Im Haus Nr. 22 arbeitete in den Jahren 1916-1917 Franz Kafka. Er lebte hier aber nicht, wie es oft sowohl in Blogbeiträgen als auch von den Guides falsch erzählt wird. Sogar an dem Häuschen ist es falsch hinterlegt. Bilder auf Google zeigten mir farbenfroh, kleine Häuschen, hübsche Ausstellungen, und nette Ecken – die Realität war ernüchternd: Nichts, absolut nichts von seiner angeblichen Schönheit konnten wir sehen. Es war ein reinstes Gedränge und Geschiebe, warten und Genörgel in der Gasse, alle wollten nur noch zum Ausgang am Ende der Straße. Man wurde nur hin- und her geschoben, dicht an dicht. Ich kann es kaum beschreiben. Wir hatten weder die Möglichkeit, mal in die Häuschen zugehen, noch ihre angebliche Schönheit von außen zu betrachten, auch erzählte Wladimir gar nichts weiter dazu.

Nach gefühlt einer Stunde im goldenen Gässchen waren wir nervlich am Ende, die Führung war miserabel, unser Stadtführer sprach so leise, das wir kaum etwas verstanden geschweige denn wartete er überhaupt, bis die Gruppe vollständig war - und wir wollten nur noch von diesen ganzen Touristen weg.

 

Die Tour war am Burgeingang beendet und Wladimir wollte während des Runtergehens vom Berg ein paar Restaurants empfehlen – das war unser Stichwort – wir gingen unseren eigenen Weg. 

Berg runter Richtung Karlsbrücke begegnet man vielen, süßen Läden und Restaurants, aber die Preise sind auch echt heftig. Wir gingen zur St. Nikolaus Kirche – diese gleichnamige Kirche gibt es sowohl auf der Kleinseite, als auch in der Altstadt, verrückt oder? Da wir uns zu diesem Zeitpunkt auf der Kleinseite befanden, besuchten wir die berühmteste Barockkirche Prags, leider wieder nur von außen. Wir waren einfach zu spät, denn im Winter schließt die Kirche schon eher. Sie wirkt von außen schon mächtig - Die Kuppel, die bemerkenswerte 20 m im Durchschnitt aufweist, und ihre Innenhöhe von über 49 m stellen das höchste Prager Interieur dar.

 

Fast daneben befindet sich die berühmte John Lennon- Mauer. Man kann/und muss nicht unbedingt diesen Hype um die Mauer verstehen – wie Phil sagte: „Bei uns wäre es Vandalismus, hier kommen die Leute in Scharen, um Fotos zu machen, dabei hat die Mauer nichts mit John Lennon zu tun. Er war nicht mal hier.“ Tatsächlich hat er recht. Die Mauer bekam nur seinen Namen, weil so viele Liedzeilen und Zitate von John Lennon und den Beatles hinterlegt wurden. Heute steht die Mauer als Mahnmal der freien Meinungsäußerung und der friedlichen Rebellion der tschechischen Jugend gegen das damalige Regime. Den Kampf um die Sauberkeit der Mauer hat die Polizei verloren. Sie dient vor allem als Fotomotiv und zur Verewigung für tausenden von Touristen. 

Eigentlich wollten wir noch über die Karlsbrücke laufen und das Geheimnisvolle dieser Brücke und seinen Figuren einfangen, aber es waren immer noch so viele Touristen unterwegs. So entschlossen wir uns, mit der Straßenbahn zu einer der besten Pizzerias in ganz Prag zu fahren. Nachdem wir in der Pizzeria Rustica ankamen, war die Überraschung groß, auch dieses Restaurant war typisch tschechisch und absolut urig – wir tranken und wir aßen und die Pizzen waren wirklich sehr, sehr lecker. Und auch diese Pizzeria Rustica (Opletalova 36, Praha 1) können wir nur weiterempfehlen. Glücklich und zufrieden, mit dem Wissen, nur noch ein paar Meter laufen zu müssen, da wir uns einig waren, dass wir nach 22.000 Schritt genug getan hatten, stiegen wir in die Straßenbahn und fuhren zum Hotel zurück.

Der letzte Tag des Jahres 2018 ist angebrochen. Was müssen wir denn noch unbedingt in Prag machen?

Vom Schattentheater wurde uns abgeraten, Bierverkostung- oder herstellung lohnt sich für uns nicht, da ich kein Bier trinke, ins Konzert gehen und Vivaldi hören? Das hätten wir gern gemacht, aber nicht mit einem Streichquartett, sondern mit einem ganzen Orchester – allerdings waren die Prager Philharmoniker zu der Zeit gerade in Berlin. Ein Museumsbesuch? Es gibt wirklich sehr viele schöne Museen, aber das Wetter war einfach zu gut und die Zeit zu knapp.

Wir beschlossen, dass wir uns ein 24h-Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel holen und mit der berühmten 22 (ähnlich wie in Lissabon mit der weltbekannten E28) eine Stadtrundfahrt machen und da aussteigen, wo wir noch nicht waren. Die Tram 22 wird in vielen Reiseführern empfohlen, weil es mitten durch das historische Prag fährt. Und dann gibt es noch die Tram 23 - Nostalgiestraßenbahn, diese sind im Stil der 80er Jahre renoviert und auch die Endstationen scheinen Retro.

Unser erster Halt war an einem großen Einkaufszentrum – wir suchten die moderne Skulptur von Franz Kafka – nicht ganz einfach zu finden, da sie es noch nicht in die Reiseführer Prags geschafft hat. Erst seit 2014 wurden die 42 bewegliche Ebenen der elf Meter hohen Skulptur vom Künstler David Černý erschaffen. Das Antlitz dreht sich, in Scheiben geteilt, immer wieder in andere Facetten. (Tram bis zur Haltestelle Narodni trida und dann durch das Shopping Center). Es ist auf jeden Fall einen Stopp wert, bis Dato haben wir noch nie etwas Vergleichbares gesehen und es ist schon ziemlich cool, wie sich Kafka in alle Richtungen dreht und sich die Scheiben auch ständig ändern. 

Unsere Weiterfahrt brachte uns zum tanzenden Haus – ich wollte es unbedingt noch einmal begutachten und spielte mit dem Gedanken, auf die Dachterrasse hoch zu fahren – allerdings muss man 4.00 EUR Eintritt zahlen. Wir schauten uns das Haus von unten an. Was mich am tanzenden Haus so fasziniert? Ich weiß es nicht, ich finde es einfach großartig. Hier treffen alter Baustil und Moderne aufeinander. Das fanden die Prager anfangs gar nicht toll. Heute zieht es die Besucher in Prag genauso an, wie die Karlsbrücke oder die Prager Burg. Das Gebäude kann/soll sowohl einen Dialog mit dem statischen Konzept und dem dynamischen Umbruch in der Gesellschaft symbolisieren. Ich erkenne in dem Haus eine Tänzerin mit einem gläsernen Faltenkleid, die sich an einen Herrn mit Hut lehnt. Die Prager nennen das Haus liebevoll „Ginger und Fred“ eine Huldigung an das berühmte Tanzpaar.

Auch von hier hat man eine tolle Aussicht auf die Kleinseite von Prag und genau dahin fuhren wir mit der Bahn weiter.

Unser nächster Punkt war die Seibahnstation am Fuße des Petrien. Die Seilbahn fährt durch die Hungermauer (Wehrmauer), die der Kaiser Karl IV. 1360–1362 bauen ließ. Auf der 510 Meter langen Trasse verkehren zwei Wagen, die einen Höhenunterschied von 130 Metern überwinden. Für die Fahrt gelten die normalen Fahrkarten.

Natürlich ist diese Seilbahn auch ein Touristenmagnet, und so konnten wir von Weitem die riesige Schlange sehen. Wir entschieden uns, mit der Tram weiter auf den Petrin Hügel zu fahren und von da aus zum kleinen Eiffelturm zu laufen. Hätte ich gewusst, wie weit und doch beschwerlich (da stetig Bergauf) der Weg ist, hätte ich mich angestellt.

  

Als wir allerdings am Eiffelturm ankamen, wurden wir mit einer sagenumwobenen Aussicht belohnt. Nach 299 Stufen erreichten wir endlich die obere Plattform der Kopie des Pariser Eiffelturms (im Verhältnis 1:5). 63,5 Meter ist er hoch und seine Spitze ist somit genauso hoch über dem Meeresspiegel wie der echte Eiffelturm. Schwindelfrei sollte man allerdings sein, da sich der Eiffelturm im Takt des Windes bewegt. Man hat nicht nur einen Ausblick auf ganz Prag, sondern bei klarem Wetter beinahe auf ganz Böhmen.

Wir gingen vorbei an der Nanebevzetí Panny Marie Na Strahově und dem Kloster Strahov - von dessen Terrasse man auch einen tollen Ausblick über die Prager Altsdta hat. So beschlossen wir auch, das Silvesterfeuerwerk von diesem Standort aus zu beobachten. Wir schlenderten die Straßen runter vom Petrin-Hügel Richtung Altstadt und gingen nun endlich über die Karlsbrücke. Was für ein Gedränge. Niemals hätte ich erwartet, dass Prag zu Silvester so voll von Touristen ist.

Über die Karlsbrücke muss man aber einfach bei einem Besuch Prags laufen - eine der ältesten Steinbrücken Europas.

Die Karlsbrücke ist vor allem wegen seiner Brückenfiguren berühmt geworden. Entlang der Brücke reihen sich 30 Statuen aneinander (auf der Karlsbrücke stehen Repliken der originalen Statuen, die in dem Nationalmuseum aufbewahrt werden).

 

Die bekannteste von den Statuen ist der Heilige Johannes von Nepomuk, der hier im Jahre 1393 in die Moldau gestoßen wurde. Sehr beeindruckend sind auch die zwei Brückentürme, die die Karlsbrücke von beiden Seiten bewachen und zu den schönsten Türmen der Welt zählen. Wer die Brücke für sich allein haben will, der braucht nicht mal mehr in den frühen Morgenstunden aufzustehen - es ist einfach unmöglich, die Karlsbrücke in ihrer Pracht allein zu besuchen. 

Langsam wurde es frisch und die Sonne verabschiedete sich - wir gingen ins Hotel und ruhten uns aus. Gegen 20.00 Uhr machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Zwar wussten wir, dass die Tschechen, anders als die Deutschen, Silvester in Restaurants feiern, aber das es so schwer sein wird, einen Platz für Zwei zu finden, hätten wir nicht gedacht. Eine Stunde später und viele Schritte mehr hatten wir ein typisches Restaurant gefunden und waren auch hier wieder sehr zufrieden. Richtige Silvesterstimmung kam aber leider nicht auf - so gingen wir kurz nach 22:00 Uhr zur Tram und fuhren mit der 22 zum Petrin-Hügel. Gewappnet mit Schal, Stirnband, Handschuhen, Hand- und Fußwärmer sowie Sektflaschen und Kamera suchten wir uns ein Fleckchen unterhalb des Klosters und warteten darauf, dass es Mitternacht wurde. Interessanterweise verirrten sich doch ziemlich viele Menschen zu diesem Aussichtspunkt, vor allem Deutsche. Punkt Mitternacht hatten wir eine tolle Aussicht auf die Feuerwerke, die über der Altstadt hochgingen und haben einige Impressionen eingefangen:

Wir hatten schon Angst, dass die Bahn überfüllt sein wird - aber dem war zum Glück nicht so. Nachdem wir eine neue Haltestelle suchten und fanden, an der eine Nachtlinie fährt, fuhren wir zurück zum Hotel. Das neue Jahr war begrüßt.

Wer weiß, welche spannenden Reisen dieses Jahr auf uns warten werden. Am 01.01.2019 machten wir uns auf den Rückweg und ließen das schöne Prag hinter uns. Diese Stadt hat uns mal wieder in ihren Bann gerissen